Wie 1987 alles begann…
Marin Kaufmann, Begründer der Fimtage Bozen und langjähriger Programmleiter von Bolzano Film Festival Bozen erinnert sich:
„Die Bozner Filmtage gab es erstmals 1987. Doch bereits vor diesem offiziellen Beginn gab es ‚Filmtage’ in Bozen. Die Journalistin Elisabeth Baumgartner brachte den Filmclub bereits 1982 dazu, eine große Filmreihe zum 90. Geburtstag von Luis Trenker zu organisieren. Es war dies auch die erste größere Hommage an Trenker in Südtirol. Daran anknüpfend gelang es bereits 1984, eine Hollywood Größe wie den aus Wien gebürtigen Fred Zinnemann nach Bozen zu holen. Aufgeführt wurden u.a. seine Welterfolge HIGH NOON (12 Uhr mittags) mit Grace Kelly und Gary Cooper, sowie JULIA mit Jane Fonda.
Da die deutschen Filmverleiher in den frühen 80er Jahren sehr skeptisch waren, Arthaus Filme nach Südtirol/Italien zu verleihen, musste viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. So war es für uns damals ein großes Bedürfnis, den Münchner und Wiener Filmverleihern zu zeigen, dass wir ihre Filme gut behandeln und dass sie sicher sein konnten, dass die Filme auch wieder zurückgeschickt werden. Und dazu haben wir sie dann auch nach Bozen eingeladen… Die ‚Überzeugungsarbeit’ ist uns auf diese Weise gut gelungen!
Ab 1987 fanden dann jeweils im April die BOZNER FILMTAGE statt. In den ersten Zeiten mit tatkräftiger Unterstützung von Christian Friedel und seinem Verleih Filmwelt. Er war vorher Verleihchef des Filmverlags der Autoren. Er hatte die Achternbusch Filme. Herbert Achternbusch hat also die ersten Jahre der Filmtage stark mitgeprägt und er uns seine Filme waren in allen Jahren dieser frühen Festivalausgaben dabei. Mit dabei natürlich auch Annamirl Bierbichler und Gabi Geist! Auch Peter Goedel, dessen Filme wir in den frühen 80er Jahren bei den Hofer Filmtagen entdeckten, war ein gern gesehener Gast. Natürlich durfte da auch Rosa von Praunheim nicht fehlen, und natürlich waren Südtiroler Filmemacher von Anfang an dabei: Carmen Tartarotti, Kurt Lanthaler, Edith Eisenstecken uva.
Dadurch, dass wir nur einen kleinen Saal in der Streitergasse 20 hatten, war das Programm überschaubar. Ja und es gab auch noch das Kino Latemar in Welschnofen, wohin sich ein großer Teil des Publikums samt Gästen am Wochenende hin begab. Filme und Wandern war die Devise.
Die poltische Wende 1989 mit der Öffnung der Berliner Mauer hat sich auch auf die Bozner Filmtage ausgewirkt. Bekannte Namen des DDR Films kamen nach Bozen, z.B. Helke Misselwitz und der Dokumentarfilmer Volker Koepp. Auch mit dem Filmfest Dresden wurden erste Kontakte genknüpft. In den 90er Jahre, wo unser Festival nach wie vor im kleinen Filmclubsaal mit 99 Plätzen stattfand, zählten Namen wie z.B. Michael Verhoeven, Götz Spielmann, Dana Vavrova, Marianne Sägebrecht zu unseren Gästen. Wir wollen die Schweiz nicht vergessen: auch Fredi M. Murer, Karl Saurer, Erich Langjahr, Donatello und Fosco Dubini konnte man in den 90er Jahren mehrfach bei den Filmtagen begegnen.
Aber auch italienische Produktionen fanden ab Anfang der 90er Jahre Eingang in das Programm. LA FINE DELLA NOTTE (1990) von Davide Ferrario, L’ARIA SERENA DELL’OVEST (1991) von Silvio Soldini, UN’ALTRA VITA (1993) von Carlo Mazzacurati usw. 1995 gab es Kurzfilme von Federico Fellini, 1996 Kurzfilme von Pier Paolo Pasolini. LA BELLA VITA (1995) von Paoli Virzí usw.
Nach dem Umbau und der Übernahme des Capitol Kinos hatten wir ab 2002 endlich drei Säle zur Verfügung und konnten so ein vielfältiges, erweitertes Programm bieten. 2003 konnten wir erstmals ausgewählte Filme in einem Wettbewerb präsentieren und es gab Preise. Erster Gewinner des Preises des Landes Südtirol war RESPIRO (Lampedusa) von Emanuele Crialese mit Valeria Golino. 2005 kam der von der Stiftung Südtiroler Sparkasse gestiftete Preis für den besten Dokumentarfilm hinzu und zeitgleich der von der Gemeinde Bozen finanzierte Publikumspreis, für den das Publikum aus allen Filmen im Wettbewerb jährlich seinen Favoriten mittels Stimmkarten wählt.
Bis heute haben sich die Bozner Filmtage dank der tatkräftigen Unterstützung seiner Sponsoren, aber vor allem dank der vielen, großteils ehrenamtlichen Mitarbeiter zu einem Filmfestival entwickelt, das dem internationalen Vergleich standhält. Dass es von der in- und ausländischen Filmbranche und vom heimischen Publikum so geschätzt und geliebt wird, macht nicht nur sein Standort an der deutsch-italienischen Sprachgrenze aus, die eine spezielle mehrsprachige Mischung der Filme und Gäste begünstigt, sondern auch die ganz besondere Atmosphäre eines kleinen, überschaubaren Filmfestivals, in dem den Gästen inmitten einer wunderbaren Landschaft viel Raum für Gespräche, Begegnungen und kulinarische Genüsse geboten wird. Dass uns das gelungen ist, erfüllt mich mit Freude und Stolz!“
Mit 2012 übernahm Helene Christanell die Leitung des Filmfestivals, zunächst gemeinsam mit Martin Kaufmann, ab 2016 dann als alleinige Leiterin. Helene Christanell war maßgeblich an der Weiterentwicklung des Filmfestivals beteiligt und legte großen Wert auf lokale wie überregionale Kooperationen. Dank ihres Einsatzes entstand ein dichtes Netzwerk an Partner:innen. Nach mehr als 20 Jahren Festivalerfahrung beendete Helene Christanell 2022 ihre Arbeit für das Filmfestival Bozen. Hier ein Auszug aus “Weitere Akzente setzen”, von Barbara Schuster:
Nach vielen Jahren verlassen Sie das Bolzano Film Festival Bozen. Fiel Ihnen diese Entscheidung schwer?
“Ich habe über 20 Jahre für das Festival gearbeitet, bin langsam in die Leitung hineingerutscht, erst mit Martin Kaufmann gemeinsam, ab 2016 dann allein. Die Entscheidung, die Direktion abzugeben, habe ich nicht leichtfertig getroffen. Ein Festival darf aber nie stehenbleiben. Ich kann behaupten, dass wir in den vergangenen 20 Jahren immer wieder etwas dazu entwickelt, weitergedacht haben. Mit einer neuen Spitze können nun weitere Akzente gesetzt werden.
Auf was sind Sie besonders stolz?
Kurz gedacht, bin ich auf die unlängst beendete 35. Edition stolz. Wir haben unser Festival nach zwei schwierigen Jahren zurück ins Kino bringen können – mit großem Erfolg. Unser Programm wurde sehr gut angenommen, zudem durften wir wieder viele Gäste begrüßen. Im Rückblick auf meine komplette Zeit beim Bolzano Film Festival bin ich glücklich, dass es uns gelungen ist, aus einer sehr kleinen Veranstaltung ein Festival zu machen, das eine Mischung aus Publikumsevent und Treffpunkt für die Branche geworden ist. Die Einbeziehung der Branche wurde besonders ab dem Zeitpunkt der Gründung der Südtiroler Filmförderung IDM vor zwölf Jahren wichtig. Seither arbeiten wir auch sehr gut zusammen. Wir haben zudem viele weitere lokale, aber auch überregionale Kooperationen aufgebaut, wie etwa gemeinsam mit der Universität Bozen
die Nische für Filme, die in einer Kleinsprache gesprochen werden bzw. sich thematisch damit befassen. Nachdem wir in Südtirol ein mehrsprachiges kleines Gebiet sind und auch noch mit dem Ladinischen eine Kleinsprache beherbergen, fand ich diese Kooperation sofort reizvoll. Auch die gute deutsch-italienische Zusammenarbeit ist ein
USP unseres Festivals.
Was steht bei Ihnen an? Bleiben Sie der
Filmbranche erhalten?
Ganz untätig werde ich nicht sein. Ich lebe in Kaltern und betreibe dort seit vielen Jahren ein Kino, dem ich nach den schwierigen Zeiten wieder einen Anschub geben möchte. Zudem bin ich bei der IDM im Expertengremium für die Filmförderung und betreibe mein Projekt »Kino und Schule« weiter, das mir seit vielen Jahren sehr ans Herz gewachsen ist.
Der Film und die Filmkunst feierte alljährlich während des Festivals im April einen Höhepunkt im Kino und etablierte es zur kulturellen Drehscheibe und Plattform in Südtirol, mit mehr als 7000 Besucher:innen während der Festivalzeit.
Im September 2022 übernimmt Vincenzo Bugno die künstlerische Leitung des Festivals.